Neues Erbrecht – Was sich für wen ändert (Teil 4 – Zinsen und Stundung im Pflichtteilsrecht)

Dienstag, 4. Juli 2017

Durch die Erbrechtsreform ergeben sich erhebliche Änderungen im Pflichtteilsrecht. Neu sind u.a. die gesetzliche Verzinsung sowie die Möglichkeit der Stundung der Pflichtteilsansprüche.

Bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung herrscht grundsätzlich Testierfreiheit, d.h. ein Testator kann sich aussuchen, wen er mit welchen Vermögenswerten in seinem letzten Willen bedenkt. Bestimmten Angehörigen des Verstorbenen gebührt jedoch grundsätzlich der Pflichtteil. Dieser kann vom Testator durch letztwillige Zuwendungen oder durch Schenkungen zu Lebzeiten erfüllt werden. Hinterlässt der Testator den Pflichtteil nicht oder nicht vollständig, so hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch gegen den Erben auf Leistung des (restlichen) Pflichtteils.   
 
Anspruchsberechtigt sind der überlebende Ehegatte bzw. der eingetragene Partner sowie die Kinder des Verstorbenen und, sofern ein Kind vorverstorben ist, dessen allfällige Nachkommen. Vor der Erbrechtsreform waren auch noch die Eltern des Verstorbenen pflichtteilsberechtigt, sofern dieser kinderlos war. Geschwister des Verstorbenen und deren Nachkommen haben keinen Pflichtteilsanspruch. Die jeweilige Pflichtteilsquote beträgt Hälfte des gesetzlichen Erbteiles.
 
Der Pflichtteilsberechtigte erwirbt den Anspruch auf den Pflichtteil mit dem Tod des Verstorbenen, kann diesen aber erst ein Jahr nach dem Erbfall fordern. In diesem Fall hat der Erbe als Ausgleich jedoch 4% Zinsen pro Jahr zu leisten. Um die Zinslast gering zu halten, ist es im Interesse des Erben, die Pflichtteilsansprüche möglichst früh zu erfüllen.
 
Der Testator – gegebenenfalls auch das Verlassenschaftsgericht – können nunmehr eine Stundung der Pflichtteilsansprüche auf die Dauer von bis zu fünf Jahren anordnen und dem Erben somit die Erfüllung dieser Ansprüche erleichtern. Dies ist dann sinnvoll, wenn der Nachlass vor allem aus Liegenschaftsvermögen oder Unternehmen besteht und der Erbe nicht über ausreichend liquide Mittel verfügt, um die Pflichtteilsansprüche zu erfüllen. Auch bei einer Stundung ist jedoch zu beachten, dass die Pflichtteilsansprüche bis zu deren Erfüllung mit 4% pro Jahr zu verzinsen sind.
 
Das neue Erbrecht bringt für den Testator erweiterte Möglichkeiten der Pflichtteilsminderung und der Enterbung. Erhebliche Änderungen ergeben sich auch bei den Fragen, wie sich lebzeitige Schenkungen auf Pflichtteilsansprüche auswirken und wie die Pflichtteile durch ein Testament abgedeckt werden können. Fachliche Beratung ist bei diesen Themen daher unabdingbar.